Kaiser- und Hansestadt Tangermünde




Auf dem Weg nach Tangermünde fühle ich mich während einer Umleitung nach Afrika versetzt.
Denn ich komme am Kalimandscharo vorbei. So haben die in Zielitz ihre Kalibergbau-Abraumhalde genannt.
Das muss die sein, die man auch vom Wasserstraßenkreuz bei Magdeburg sehen kann.



Bischof Thietmar von Merseburg erwähnte im Jahre 1009 die „civitate Tongeremuthi“, da dort der Tanger (Tongera) in die Elbe mündet.
So sieht das kleine Flüsschen heute aus.



....jedenfalls, bis er an dieser Schleuse endet.



Dahinter ist der Tanger verbreitert und bietet ein gutes Hafenbecken.
Die Stadt selber wurde auf der etwas höheren Endmoräne daneben gegründet.



Und da biegt das Hafenbecken in die Elbe ab.
Diese geschützte und verkehrstechnisch günstige Lage bot Tangermünde gute Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in dem Handelskartell der Hanse.
Im 14. Jahrhundert wählte auch noch Kaiser Karl IV die Stadt zu seinem Zweitwohnsitz, worauf Tangermünde auch heute noch stolz in seinem Zusatznamen hinweist.
Als dann aber die altmärkischen Hansestädte 1488 gegen die neue Biersteuer rebellierten (vgl. Gardelegen!), verlor Tangermünde ihre Gunst an die Stadt Cölln.
Nein, das ist heute ein Ortsteil von Berlin!
Nach dem Stadtbrand von 1617 (siehe Greta Minde, unten) wurden viele Fachwerkhäuser erbaut, die den Reichtum ihrer Erbauer spiegeln.
Den zweiten Weltkrieg überstand Tangermünde unbeschadet, abgesehen von den üblichen Schäden, die die Nazis anrichteten.



Weil die heute 10 000 Einwohner zählende Stadt seit der Hanse kaum noch gewachsen ist, blieb rund um die Stadt die Mauer erhalten.
Hier ist sie auf der Landseite zu sehen.



Auf der Elbseite ist sie auch gegen Elbhochwasser geschützt erbaut worden am Steilhang der Endmoräne.
Hier bin ich am Rosstor.



Wenn die großen Autos und das Corona-Testzelt nicht wären, ist es ein imposanter Anblick.



Das ist einer der beiden Putinnen, wie die Türme heißen. Das hat aber nichts mit dem russischen "Diktator" zu tun.



Diese Mauer schützt das Schlosshotel, das heute auf dem Burgberg residiert.



Von der Landseite aus ist das der Eingang in die Burg. Das Wappen über dem Tor weist auf den Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg hin.
Dahinter steht der Gefängnisturm von 1480 mit 37 m Höhe.



Dem Überblick über die Elbe diente der Turm seit dem 12. Jahrhundert.
Später wurde er als Kornspeicher genutzt vom Domkapitel Berlin. Seitdem heißt er Kapitelturm.



Außerdem erinnert das Denkmal von Kaiser Karl IV an den in der Stadt beliebten Herrscher.
Seine Bauwerke auf dem Burgberg haben den 30-jährigen Krieg nicht überstanden.



Erhalten blieb nur diese alte Kanzlei, die Karl als Tanzhaus diente. Und offiziel auch eine Schreibstube enthielt, für den Namen!



Ich bin von der Burg aus zu meinem Rundgang durch die Stadt gestartet.
Deshalb kam ich an diesem Haus vorbei, das "Grete-Minde-Haus" in der Grete-Minde-Straße.
Das Haus selbst steht in keinem direkten Zusammenhang mit dem bekannten Mädchen, aber es weist auf sein Schicksal hin.

Fans von Theodor Fontane kennen diese Person, die aus Rachsucht Tangermünde in Brand steckte. Leider hat Fontane obrigkeitsgläubig den offiziellen Darstellungen geglaubt.
Seine Geschichte beruht auf reellen Begebenheiten:
Ja! Eine Grete Minde lebte wirklich in Tangermünde.
Ja! es gab einen Erbschaftsprozess, den sie unter fadenscheinigen Begründungen verlor.
Und Ja! 1617 kam es in der Stadt zu einem Großbrand (siehe oben).
JA! Grete Minde wurde verdächtigt, das Feuer aus Rache gelegt zu haben.
Im Stadtmuseum gibt es Dokumente zu ihrem Prozess. "Grete Minde wurden „fünf finger an der Rechten Hand einer nach dem andern mit glühenden Zangen abgezwacket“,
so das Urteil, „nachmalen ihr Leib mitt vier glühenden Zangen, nemlich in der Brust und Arm gegriffen, Folglich mitt eisernen Ketten uff einem erhabenen Pfahle angeschmiedet,
lebendig geschmochet und allso vom leben zum tode verrichtet werden, von Rechts wegen.“ (Wikipedia)
Nach 5 abgebrannten Fingern gestehe ich auch, dass ich ein Marsmensch bin, um die Qual zu beenden! Fontane ist also auf die "Lügenpresse" reingefallen
"Im Jahre 1883, also nur drei Jahre nach Erscheinen von Fontanes Novelle, war es der Jurist und Historiker Ludolf Parisius, der in dem Buch Bilder aus der Altmark im Kapitel Grete Minden
und die Feuersbrunst vom 13. September 1617 – Eine Ehrenrettung, die historische Grete Minde weitgehend rehabilitierte.
Als Erster nach über zwei Jahrhunderten studierte er intensiv die Prozessakten und deckte evidente Widersprüche auf, die auf die Unschuld Grete Mindes schließen lassen.
Sie musste sterben, weil sie für die etablierte Familie Minde eine Bedrohung sowohl ihres Rufes als auch ihres Besitzes darstellte.
Zudem sah sich der Stadtrat unter zunehmendem Zwang, der aufgebrachten Bevölkerung Tangermündes eine Schuldige zu präsentieren.
Parisius’ Fazit ist deshalb eindeutig: Das Todesurteil gegen Grete Minde war ein „grausamer Justizmord“.
Moderne Rechtshistoriker widersprechen dieser These und vertreten die Auffassung, dass der Prozess gegen Grete Minde formal korrekt geführt worden sei.
Eine neuere Untersuchung über Grete Minde, insbesondere über die Prozessführung, kommt zu dem Schluss, dass der Tangermünder Rat, der zugleich als Gericht fungierte,
ein manipulierendes Gutachten für die Foltererlaubnis verfasste. (Wikipedia, besser könnte ich es nicht beschreiben!)



Am 22. März 2009, also genau 390 Jahre nach ihrer Hinrichtung, wurde am Ort des Geschehens, vor dem Rathaus der Stadt, in dem der Prozess gegen Grete Minde stattfand,
eine lebensgroße Bronzeskulptur des Grafikers und Bildhauers Lutz Gaede enthüllt. Sie zeigt Grete Minde in Ketten und gebeugter Haltung. Diese Darstellung als Gefangene greift im
Unterschied zu Fontane ausdrücklich auf die wirkliche, dokumentierte Geschichte der Grete Minde zurück und macht so auf das ebenso tragische wie dramatische Schicksal aufmerksam,
welches sich real in Tangermünde abspielte und die historische Grundlage für Theodor Fontanes Novelle bildete." (Wikipedia)



Das Hühnerdorf existierte schon vor der Stadtgründungf Tangermündes.
Seine Bewohner mussten an die Burgherren Hühner und Eier als Zins abliefern.
Deshalb heißt das Stadttor vor der Burg Hühnerdorfer Tor. Erhalten ist davon nur noch der Turm, der auf die Finanzkraft der Stadt hinweist.
Heute wird er als Eulenturm bezeichnet, weil:
Variante 1: darin Eulen brüteten.
Variante 2: er das Frauengefängnis enthielt, die als "olle Eulen" benannt wurden. In diesem Turm wurde auch Grete Minde zum Geständnis "überredet".



Bei solchen Gebäuden kann man schon wetten, dass es sich um eine Schule handelt. Hier ist es das Diesterweggymnasium.



Das ist nicht der Stephansdom in Wien, sondern die Stephanskirche in Tangermünde.
Wer regt sich heute noch über den BER auf? Man hat 300 Jahre gebraucht, um diese gotische Hallenkirche aus einer romanischen Basilika des 12. Jahrhunderts zu gestalten.
Der Turm ist 87,5 m hoch. Damit ist er der höchste Turm der Altmark. Die Turmspitze wurde durch den Brand zerstört und erhielt deshalb eine Barockhaube.



Das ist die Stephanskirche in ihrer ganzen Größe.



Der Chorraum dieser Kirche.



Der Altar.



Die Kanzel ist auch neueren Datums.



Neben der Kirche steht der Stadtbrunnen.
Auf 8 Tafeln enthält er wichtige Daten aus der Geschichte Tangermündes
1. Stadtwappen Tangermünde,
2: Bischof Thietmar von Merseburg, der eine der bedeutendsten Chroniken des Mittelalters schrieb,
3: Kaiser Karl IV., der lange in der Stadt residierte und ihre Bedeutung als Hansestadt an der Elbe stärkte.
4: Kurfürst Friedrich I. von Hohenzollern (ebenfalls mit Residenz in Tangermünde.),
5. Bildnis der Grete Minde mit dem Stadtbrand von 1617 im Hintergrund.
6. Kapitän Kolle, der eine bedeutende Rolle in den Befreiungskriegen gegen Napoleon spielte.
7: Friedrich-Theodor Meyer, der hier 1826 seine Zuckerraffinerien gründete, dazu das Schokoladenimperium FEDORA, das von der DDR enteignet wurde und in den Westen ging,
    trotzdem aber seit der "Wende" die Stadt Tangermünde jährlich mit Spenden unterstützt.
8: die zu Ende des Krieges zerstörte Elbbrücke an der sich unerhörte Dramen abgespielt haben ( Reste der Wenck-Armee mit den jüngsten Soldaten der Deutschen Wehrmacht
    Adolf Hitlers; in Tangermünde die Amerikaner und im Rücken schon die Russen); darüber auf derselben Tafel die neue Elbbrücke. Quelle



Ich zeige nicht alle Tafeln, sondern habe Grete Minde ausgewählt, auch wenn die Tafel etwas beschmiert ist.



In die Innenstadt führt u.a. die Lange Straße, die zahlreiche attraktive Gebäude beherbergt.



Möchte jemand widersprechen?



Am Markt steht dieser Teil eines Hotels.



In der Mitte steht das alte Rathaus von Tangermünde, das 1430 erbaut wurde. Mittlerweile wird es als Museum genutzt . Hier lagern z.B. die Gerichtsunterlagen zu Grete Minde.
Oben befindet sich das Standesamt und der Ratssaal.



Mich interessierte an diesem Foto mehr das Storchennest als der eingeschalte Giebel.
Und davor steht die angekettete Grete Minde. Nachdem sie durch die fingierte Anklage als mögliche Erbin von der Stadt ausgeschlossen war.



Heute dient dieses Haus gegenüber der Stadtverwaltung.



Auch diese Gebäude gehören zum Markt.



Die Lange Straße endet am Neustädter Tor.



So präsentierte sich die Stadt dem Zureisenden. Der kleinere viereckige Turm wurde um 1300 als Pulverturm ergänzt.
Dahinter der Turm der ehemaligen Nikolaikirche



Hier präsentiert das Tor (von links nach rechts) den preußischen Königsadler, den Adler des Bismarckreiches, das Tangermünder Stadtwappen,
der Adler des heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und den Brandenburger Adler. Damit sind die Zuständigkeiten ja wohl geklärt!



Etwas abseits vom Neustädter Tor steht der Schrotturm. Nein, er hat nichts mit Schrott zu tun.
In ihm wurde oben heißes Blei in kleinen Dosen fallen gelassen und unten in Wasser aufgefangen. So formte man runde Schrotkugeln.



Außerhalb der Stadtmauern stand das Dominikanerkloster, das von 1438 bis zur Reformation, die in Tangermünde 1538 eingeführt wurde, als Kloster fungierte.



Mir fiel auf, dass es so warm war, dass die Spatzen versuchten, durch die Fenster in die kühleren Räume zu gelangen.


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