Es war alles schon mal da!
Ich bin noch mal in Hamburg, weil die Untersuchung wohl doch ein
Ergebnis gebracht hat.
Dieses Mal ist die zweite Corona-Welle da und
Hamburg hat verstärkte Vorschriften, um Schlimmeres zu verhindern.
Denn
die Stadt hat schon mal schlechte Erfahrungen gesammelt. Wer in
meinem Unterricht aufgepasst hat, erinnert sich, dass
in Hamburg 1892
eine Cholera-Epidemie wütete. An einem heißen Tag im August gab es die
ersten Krankheitsfälle.
Am Ende waren etwa 17 000 Hamburger
erkrankt, etwa die Hälfte davon starb an Cholera.
Ein gewisser
Robert Koch benannte die Ursachen der Epidemie:
- Die meist armen
Bewohner an der Elbe lebten in den "Gängevierteln", die so eng bebaut waren,
dass man mit einem Handkarren nicht
durch kam.
Nicht nur, dass die Enge Brände
begünstigte, sie war auch den notwendigen Wasserinstallationen im Wege.
Aus verständlichen Gründen konnte ich keine Originalaufnahmen
machen! Wie es in den Vierteln aussah, kann man
hier sehen.
- Hamburg leitete alle
Abwässer über städtische Fleete in die Elbe, die Plumpsklos wurden nur
bei Flut geleert.
- Trinkwasser bekamen nur die Reichen über
Leute wíe
Herrn Hummel, der sauberes Wasser von außen liegenden Brunnen frei Haus
lieferte,
während die Ärmeren ihr Trinkwasser aus der Elbe
oder ungereinigten Sammelstellen schöpften.
- Das und die Wärme ergaben schlaraffenlandähnliche Bedingungen für ein
aus Indien bekanntes Bakterium, das
die Krankheit auslöst.
Auch gegen Anfeindungen von Cholera-Leugnern, die zwar Löwen als
gefährliche Tiere anerkennen konnten, aber unsichtbare Tierchen
wie
die von Koch benannten "Bazillen" für harmlos hielten, und Verschwörungsreligiösen
(Mittelalter: Juden, Reiche und Hexen haben Schuld)
überzeugte
er die Stadtväter, an diesem Übel etwas zu ändern.
Heute würde man sagen: mit dem AHA-Konzept. Abkochen von Trinkwasser,
Hygienischen Baustandards und Abreißen der Gängeviertel.
So
wurde
das Abwasser über eine Kanalisation aufgefangen und gereinigt und die
Stadt musste ein Trinkwassersystem zur Versorgung aller
Bürger anlegen,
auch wenn das die Arbeitsplätze der Wasserträger vernichtet!
Hamburg machte sich an die Arbeit.
Die Stadt bekam also
Abwasserleitungen, Trinkwasserversorgung und neue Häuser. Da das die
Mieten erhöhte, waren die ehemaligen
Gängeviertel von armen Hafen-Arbeitern
bewohnt, die kommunistisch
orientiert waren.
Erst der groß blond blauäuig Deutsche aus Österreich und die
Weltkriegsbomben sorgten für weiteren Ausbau der Häuser.
Die Situation zu dieser Zeit kann man im
heutigen Gänge-Viertel nahe der Laeiszhalle nachvollziehen, das die
Veränderungen fast
unbeschadet überstanden hat.
Hier im
Bäckerbreitergang sind die Häuser noch vor der Cholera-Epidemie gebaut
worden.
Was man nicht sieht, sind die Hinterhöfe, die damals noch mit
Bretterbuden gefüllt waren, in denen ganze Familien lebten.
"Social
distancing" unmöglich, Cholera dankt!
Das war einer der schmalen Gänge zu den Hinterhöfen. Da mochte ich aber
nicht mit der Kamera eindringen!
So war der Zustand bis 2009. Dann hat
sich ein Investor gefunden, der auch dieses letzte Viertel sanieren wollte.
Aber die Initiative "Komm in die Gänge" aus Künstlern und weiteren
Hamburgen wurde aktiv und verhinderte den Totalabriss des Viertels.
Deshalb kann es heute besucht werden. Es spiegelt aber nicht die
Situation von 1892, natürlich gab es zwischenzeitliche Anpassungen.
Durch die Initiative wurden solche Häuser vor dem Abriss bewahrt.
Hier kann man
den Platz der Hinterhöfe ahnen.
Das ist noch
einmal die Laeiszhalle in der Seitenansicht. Was ist das denn für ein
Stein?
Na, erkannt?
Auf jeder Seite ist ein Portrait von Johannes Brahms. Er ist in einem
Haus in der Speckstraße geboren und hat die
Wohnsituation mit
durchlitten, also ein echter Gängeviertel-Hamburger. Sein Geburtshaus hat die Weltkriegsbomben nicht überstanden.
Einen ganz anderen Weg ging man im Kontorviertel in der Nähe der
Mönckebergstraße.
Es wurde 1912 komplett abgerissen und dort das erste reine
Büroviertel Europas errichtet, mit Klinkerbauten, die den zweiten Weltkrieg
weitgehend unbeschadet überstanden
haben.
1922-24 wurde das Chilehaus als
Bürogebäude fertiggestellt. Der Inhaber lebte vom Salpeter-Handel mit
Chile.
Man sieht auf dem Foto: es ist Hamburger Schmuddelwetter, das
erklärt die Bildqualität der folgenden Beiträge!
Markant am Chilehaus ist diese
Spitze, die auf den Burchardtplatz zuläuft.
Jedes Haus hat so seine Geschichte.
Im Chilehaus ließen die Nazis die Tafeln mit den eingravierten Namen der
Firmen zumauern,
um die jüdischen Firmennamen aus der Geschichte zu
streichen. Heute sind diese Tafeln wieder freigelegt.
Auch hier haben
diese Verbrecher nicht gut nachgedacht!
Die "Zeit" wird hier hergestellt,
früher arbeiteten hier auch die Redaktionen vom "Spiegel" und "Stern".
Heute ehrt man den Altkanzler und ehemaligen Bürgermeister mit der
Benennung "Helmut-Schmidt-Haus".
Vor dem Helmut-Schmidt-Haus liegt der
Domplatz. Wo die großen weißen Lampen liegen, fand man
Säulenspuren vom früheren Dom.
Und begrenzt ist der Platz durch die Metallmauer, die die Lage der früheren Hammaburg anzeigen soll.
Diese Lage ist zwar umstritten, aber die Archäologen glauben, gesicherte
Erkenntnisse vorweisen zu können.
Wenn man denen glaubt, lag also
hier Hamburgs Wiege.
In diesem Haus am Meßberghof
residierten ebenfalls zahlreiche Firmen.
Die Nazis haben das Haus
umbenennen lassen, weil der ursprüngliche Name Ballinhaus nicht mehr
tragbar schien.
Der Erbauer, Herr Ballin, war nämlich ein jüdischer Geschäftsmann.
Besonders makaber ist, dass in diesem Haus unter anderen die Firma Tesch
& Stabenow residierte,
die für die Nazis das Zyklon B herstellte, mit
dem diese ihren Massenmord in Auschwitz und anderswo durchführten.
Deren Firmeninhaber wurden gleich nach der britischen Besatzung
hingerichtet.
Am Haus sieht man viele solcher
Standbilder. Sie sollen heute an die Opfer von Zyklon B erinnern.
Das erste Kontorgebäude
(Baujahr 1921) am Platz war das Haus der Handelsgesellschaft Miramar.
Es brachte neue Stilelemente, wie die abgerundeten Ecken, in die
Architektur dieses Viertels ein.
Der Montanhof von 1924-26, bietet das
Staffelgeschoss als neues Art déco Element.
Der Sprinkenhof entstand von 1927-43.
Er ist der größte Bürokomplex des Kontorviertels
Mit drei Innenhöfen bietet der
Sprinkenhof ausreichend Platz für zahlreiche Kontore.
Die Jacobi-Kirche steht schon länger
an diesem Platz. Die erste Erwähnung einer Kirche lässt sich bis 1255
zurückdatieren.
Der Backsteinbau wurde 1340 begonnen und mit
zahlreichen Umbauten 1869 abgeschlossen, bis die Bomben einen Neuaufbau
erforderten.
Seit 2015 sind das Kontorviertel und die Speicherstadt von der UNESCO als Welterbestätten anerkannt.
Übersicht
Hamburg, Beatlemania
Hamburg, Gedenkseite
Hamburg, Bummel
Hamburg, Speicherstadt
Hamburg, Nachtrag