Ku'damm, so etwas wie der Kohweidsweg in Hutbergen?

Ich weiß, Berlin soll ja etwas größer als mein Heimatdorf sein. Eine komplette Stadttour ist an einem Tag nicht zu schaffen, aber ich kann ja eine Ecke herauspicken.
Heute wähle ich also den Kurfürstendamm aus.
Was hat denn eine Ku'damm genannte Straße in einer Großstadt zu suchen? Da gibt es doch keine Rindviecher, die sollen ja alle im Reichstag sitzen, vor allem rechts.
Aber das Hörnervieh hat nichts mit dem Straßennamen zu tun. Mitte des 16. Jahrhunderts wurde ein Reitweg für die Kurfürsten in den Berliner Grunewald zu ihrem Jagdschloss gelegt.
Damit sie den Weg vom Stadtschloss zum Jagdschloss bequem zurücklegen konnten.



Das ist der jetzt fertiggestellte Nachbau des Stadtschlosses, der anstelle des Palastes der Republik wieder am Ort des historischen Berliner Schlosses mit der rekonstruierten Fassaden
errichtet wurde und jetzt also Humboldt-Forum heißt.

Otto von Bismarck ließ aus diesem Reitweg den 53 m breiten Kurfürstendamm anlegen.
Heute ist der Kurfürstendamm die bekannteste Lebensader der Stadt. Die Straße ist 3,5 Kilometer lang und hat einiges zu bieten:
Wer übrigens die Hausnummern 1 bis 10 sucht, hat Pech gehabt; denn die gehören seit den 20er Jahren zur Budapester Straße.

 

Nein, das KaDeWe liegt nicht am Ku'damm, aber auf meinem Weg.
Und zur Logik gehört auch, dass Irmgard Weckmüller, die spätere Ehefrau von Dr. Erich Bragenheim, dort als Verkäuferin tätig war.



Jetzt noch an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche vorbei und der Kurfürstendamm beginnt.



Es beginnt gleich mit dem Marmorhaus, das 1913 als Kino erbaut wurde.



Das Ku'damm-Eck wurde 1998 neu erbaut, weil sein Vorgängerbau als Bausünde der 60er Jahre abgerissen wurde.
Der Verkaufstempel beherbergt heute C & A und ein Hotel. Im Vordergrund die moderne Mobilität! Bitte nicht stolpern. Hauptsache, ich bin da!



Neben dem Stammhaus Unter den Linden (eröffnet 1825) hat das Café Kranzler auch 1958 am Ku'damm eine Filiale etabliert.
Diese Niederlassung ist heute wohl bekannter als das Stammhaus.



Die ehemalige Filmbühne Wien wurde zwischen 1912 und 1913 als Kino-Palast im wilhelminischen Klassizismus erbaut.  Es war das erste reine Lichtspieltheater Berlins.



1951 eröffnete Hotel Kempinski hier. Nach der Machtergreifung wurde das Hotel verkauft, da die Inhaber auswanderten.
Nach dem Krieg versuchte der Sohn einen Neustart, bei dem er sich aber übernahm.



Das Maison de France wurde 1950 als französisches Kulturzentrum installiert.



Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand das Haus Cumberland. Es beherbergte zunächst ein Hotel und Verwaltungsabteilungen.
Seinen Namen erhielt es aus werbestrategischen Gründen vom Herzog von Cumberland Ernst August. Der Komplex ist 60 m breit und 180 m tief mit drei Innenhöfen.
1911 wurde es restauriert und Geschäfts- und Wohnhaus.



Hotel California ist nicht nur ein Song der Eagles, sondern auch dieses Gebäude von 1897 am Ku'damm.



Dieses Wohnhaus von 1905-07 wurde mit seiner Filiale der Commerzbank im Juli 2008 Schauplatz eines spektakulären Bankraubs.



1921 bis 1922 wurde das Kino Alhambra erbaut. Nach dem Krieg wurde der Kinobetrieb eingestellt. Vor Kurzem wurde dort ein "Designer Pop Up Store" eingerichtet.



Und jetzt wird es etwas persönlich. In diesem Haus Nr. 141 hatte Dr. Erich Bragenheim seine Praxis, bevor die Nazis ihn deportierten.
Ob die Apotheke dort auf diese Praxis zurückgeht, konnte ich nicht klären.

  

Anke Gebert schrieb das Buch "Wo du nicht bist" über die Liebe zwischen Irma Weckmüller und Erich Bragenheim, die wegen der Nürnberger Gesetze nicht heiraten durften
und deshalb posthum verheiratet wurden.
Vor 2 Jahren wurde vom Verlag dieser Stolperstein zu seinem Gedenken verlegt. Man merkt: es fehlt ein Konzept zum Reinigen der Steine.
Deshalb füge ich das Foto an, das mir von Frau Gisela Morel-Tiemann von der Stolperstein-Initiative Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf zur Verfügung gestellt wurde.



Das mit der Reinigung betrifft auch diesen Gedenkstein vor dem Nachbarhaus, in dem das SDS-Büro war.
(Text: Attentat auf Rudi Dutscke, 11. April 1968, An den Spätfolgen der Schussverletzung starb Dutschke 1979. Die Studentenbewegung verlor eine ihrer
herausragendsten Persönlichkeiten.) Dutschke starb durch einen epileptischen Anfall, der auf die Hirnverletzungen zurückzuführen war.
Als Kind der 68er (Student in Hannover!) kann ich mich noch daran erinnern.



Dutschke war als linker Studentenführer natürlich bei der Zeitung mit den 4 Buchstaben suspekt und er war Opfer zahlreicher Verleumdungen in der berüchtigten Hetzzeitzung
Davon ließ sich ein junger Hilfsarbeiter (den Namen bringe ich bewusst nicht in Erinnerung) aufhetzen, er schoss mit dem Ruf „Du dreckiges Kommunistenschwein!“ auf Dutschke.
Was dachte sich die Berliner Verwaltung bloß dabei, eine Rudi-Dutschke-Straße zu benennen, die ausgerechnet Querstraße der A-S-Straße ist?
Immerhin wehrte sich unter anderem ein Verlagshaus, dessen Namen ich hier nicht tippen will, juristisch (allerdings vergebens) gegen die Umbenennung.



Um auch wieder erfreulichere Gedanken zu bedienen, zeige ich noich 2 Häuser, an denen ich auf dem Weg zu den Gedenksteinen vorbei kam.
Nummer 171/172 wurde als Wohnhaus 1906-1907 erbaut wurde.



Dieses Geschäftshaus Nummer 234 wurde 1901 erbaut.
Damit habe ich fast den gesamten Ku'damm abgelaufen und meine Füße brauchten wieder etwas Entspannung.


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